Helmut Neuerburg - Commander
Helmut August Neuerburg wurde am 25. August 1917 in Strasbourg als zweites Kind der Eheleute Martin und Elizabeth Neuerburg geboren. Sein aelterer Bruder Friedhelm hatte zwei Jahre vorher am 9. November 1915 das Licht der Welt erblickt. Vater Martin war Kaufmann von Beruf und starb am 11. November 1918 als Helmut nur ein Jahr alt war. Elizabeth Neuerburg erzog beide Soehne alleine bis zu ihrer Wiederheirat mit Fritz Gunter 1920. Als Helmut sieben Jahre alt war wurde sein Halbbruder Dieter Gunther geboren.
In ihrer fruehen Jugend sprachen Helmut und Friedhelm ueber U-Boote, die Geschichten ueber die U-Boot Helden des 1. Weltkrieges beeindruckten sie nicht. Beide wussten vom Ruf der U-Boote als Todesfallen.
In seiner Jugend war Helmut sehr musikalisch veranlagt, Er spielte Gitarre, Schlagzeug und zeigte eine natuerliche Begabung fuer die Geige.
Seine artistische Seite kam zum Vorschein beim skizzieren lustiger Karikaturen von den Erwachsenen in seinem Umfeld.
Helmut bestand sein Abitur im Dezember 1935 in Duisburg. Sein Familien- und Bekanntenkreis dachte dass er sich zum Kunststudium entschliessen wuerde, er ueberraschte alle mit seinem Beitritt zur Kriegsmarine am 1. Januar 1936 als Offiziersanwaerter. Es wurde spekuliert, dass er ein paar Jahre in der Marine bleiben wollte, und mit seinen Sold eine Universitaetsausbildung zu finanzieren.
Helmut war Mitglied der " Klasse von 1936" , ( das Eintrittsjahr nicht das Abschlussjahr war hierbei bestimmend), und seine besten Zensuren waren in englisch und Maschinerie. In dieser Zeit kam sein artistisches Talent wieder zum Vorschein. Er formte eine Band, als der Schulabschluss naeher rueckte komponierte er ein Klassenlied, welches als offizielles Klassenlied anerkannt wurde. Dafuer erhielt er eine Auszeichnung von Admiral Erich Raeder, der zu diesem Zeitpunkt die Kriegsmarine leitete.
Nach Absolvierung seiner Ausbildung ging Helmut nun zur Luftwaffen/Marineabteilung, die sich noch im Anfangsstadium befand. Er begann mit seine Pilotenausbildung und wurde auf Zeit der Luftwaffe zugeteilt. Im Jahre 1940 hatter er nicht nur den Offiziersrang sondern machte auch Erkundungsfluege ueber der Nordsee um England. Waehrend einer dieser Fluege nahm er sogar seinen deutschen Schaeferhund mit.
Zur selben Zeit trat sein aelterer Bruder Friedhelm der Wehrmacht bei, einer der beruehmten Panzerdivisionen. Dieter Gunther, der juengste Halbbruder war nun bei der Hitlerjugend und Deutschland befand sich im zweiten Kriegsjahr.
In dieser Zeit lernte Helmuth eine intelligente und schoene Frau kennen, sie hiess Erna Maas. Es war Liebe auf den ersten Blick. Erna war in Weissenthurm am Rhein geboren, hatte drei Brueder und eine Schwester. Ihr Vater war Mitbesitzer einer Brauerei und ihre Brueder waren alle Braumeister. Ihr juengster Bruder war beim Militaer und das gegen den Wunsch der Familie. Darin lag das Problem. Erna und ihre Familie waren Anti-Militaer und Helmut war ein Marineoffizier.
Erna's Familie war nicht begeistert von den Hochzeitsplaenen aber gaben doch ihre Zustimmung. Die Hochzeit fand am 30 Januar 1941 statt, Erna und Helmut zogen um nach Stralsund. Dort spielte Helmut seine amerikanischen Jazzplatten; er hatte eine grosse Sammlung, seine Vorliebe galt Teddy Stauffer.
Jazzmusik im Jahre 1941 in Deutschland zu spielen war verboten ebenso Radio BBC nach Berichten ueber das Kriegsgeschehen zu hoeren, trotzdem tat er beides.
Er fing an Pfeife zu rauchen und wie es seine Zeit erlaubte, ging er zum segeln. Er mietete kleine Boote und mit ihnen segelte er ueber die Ostsee, durch Buchten und um die Haefen.
Wenn er nach Hause kam legte er seine Uniform ab und trug seine Zivilkleidung in der sich wohler fuehlte.
Am 19. Juli 1941 wurde Erna's und Helmuth's Sohn Juergen geboren.
Im Sommer und Herbst 1941 flog Helmut zwar noch, seine Pflichten allerdings aenderten sich von Kampfflieger zum Ausbilder neuer Marineflieger . Er unterrichtete sie in Flugtaktiken und Aufklaerungsfluegen. Diese neue Position als Ausbilder ermoeglichte ihm dass er oefter nach Hause konnte.
Es war Dezember und Helmut war zu Hause als er im Radio die Nachricht hoerte, dass Amerika in den Krieg eintgetreten war. Daraufhin sagte er zu Erna " Jetzt haben wir den Krieg verloren".
Obwohl er ein ausgezeichneter Offizier war, stand seine persoenliche Einstellung zum Nationalsozialismus und der Partei nicht im Einklang mit der seiner Vorgesetzten.
Bei Besuchen mit seinem Bruder Friedhelm sprach Helmut oft ueber die Nazis und den Krieg und den Untergang Deutschlands, er beklagte sich ueber einen besonderen Nazi und dessen Einstellung zum Antisemitismus und nannte es "erschreckend und ekelhaft".
Friedhelm sorgte sich ueber die Offenheit seines juengeren Bruders und warnte ihn mehrmals dass " die Waende Ohren haben", und auch dass alleine diese Denkweise sein Ende bedeuten wuerden. Helmut sagte dass er nach dem Ende des Krieges "dieses Hemd nicht weiter tragen wuerde", ein Hinweis zur Tatsache dass er kein Offizier war, der Karriere machen wollte.
Im folgenden Fruehjahr feierten Erna und Helmut die Geburt ihres zweiten Kindes, einer Tochter Jutta, die am 11. Mai 1942 zur Welt kam. An Helmut's Dienst veraenderte sich nichts bis Anfang 1943. Da der Krieg nicht gut fuer Deutschland verlief so stellte man viele Flug/Marine Offiziere vor die Wahl, entweder offiziell zur Luftwaffe ueberzutreten oder zur U-Bootausbildung. Als Pilot waere Helmut sofort als Kampfflieger eingesetzt worden aber wenn er sich fuer den U-Bootarm entschied, so wuerde ihm ein Jahr Ausbildung bevorstehen aber auch die Moeglichkeit, Zeit mit seiner Familie zu verbringen.
Seine Ausbilder bei der 2. U-Bootstraining Division schaetzten ihn als gut ein. Nachdem er 16 Tage auf See in Ausbildungsschiffen verbrachte erklaerten sie, dass er zum Kommandeur geeignet sei. Seine Bewertung fand am 3. Juli 1943 statt. Darin stand dass er ein mutiger Offizier mit tadellosem Charakter ist.
Da er kurze Zeit der Luftwaffe zugeteilt war, wird er leicht seekrank, aber er ist ein Offizier mit ueberdurchschnittlicher Begabung und eignet sich als U-Boot Kommandeur.
Die Ausbildung fuer U-Bootoffiziere dauerte fast genau ein ganzes Jahr und Helmut konnte so Zeit mit seiner Familie verbringen. Im Sommer segelte er in der Ostsee und nahm auch den kleinen Juergen mit. Zum Jahresende erhielt Helmut den Befehl sich bei der Deschimag Schiffswerft in Bremen zu melden. Er hatte nun die theoretische und praktische Ausbildung beendet und nun sollte er Kommandeur eines neuen U-Bootes werden, das in der Werft gebaut wurde.
Am 26. Januar 1944, wurde U 869, Typ IXC U-Boot offiziell von Kapitaenleutnant Helmut Neuerburg in den Dienst der Kriegsmarine gestellt. Obwohl Kapitaen und Mannschaft nun offiziell dienstfaehig waren so standen noch viele Monate harter Ausbildung in der Ostsee und den Haefen bevor.
Die Haefen in Kiel, Stettin, Schweinemuende, Danzig und Gotenhafen waren alle zeitweilige Heimathaefen fuer Helmut und die Mannschaft der U 869 von Februar bis November. In dieser Zeit wurde die Ausbildung dem Krieg angepasst, der sich laufend aenderte. Verbesserungen wurden auch bei U 869 gemacht.
Im Sommer 1944 lag U 869 in Gotenhafen. Helmut schickte seine ersten und zweiten Offiziere an Land und gab eine Party fuer die Mannschaft an Bord.
Es gab gutes Essen und reichlich Alkohol, laute Musik aus den Bordlautsprechern.
Helmut, der keinen Alkohol trank, beobachtete seine Mannschaft von denen einige betrunken waren. Andere dachten sich, dass dies eine Pruefung war um Einsicht in die Gedanken zu gewinnen und die Loyalitaet der Mannschaft abzuschaetzen.
In Hela brachte Helmut die Maenner an Land und marschierte mit ihnen in ein Waldstueck wo sich eine Barracke befand. Dort bekamen sie starkes Bier und mussten einen Kreis um ihren Kommandanten formen. Helmut packte eine Gitarre aus, spielte und sang Vaterlandslieder. Das ueberraschte die Maenner, sie wussten ja nicht von seinem musikalischen Talent und sahen eine neue Seite von ihm. Sie kannten ihn nur als starken und ruhigen Kommandanten, der Respekt und Excellenz von ihnen verlangte.
Ein weiterer Vorfall verwirrte die, die glaubten ihren Kommandanten zu kennen noch mehr. Ein Matrose gruesste Helmut mit dem offiziellen Nazi Gruss "Heil". Daraufhin
wurde Helmut boese und erklaerte ihm und der Mannschaft, dass nur der traditionelle Marinegruss an Bord der U 869 galt. Die Mannschaft versuchte zu erklaeren, dass es diesbezueglich eine neue Regel gaebe, daraufhin antwortete er, dass ihm das egal sei.
Von dem Tag an wurde nur der Marinegruss benutzt.
Im Herbst 1944 waren alle Erneuerungen an der U 869 beendet, und die Mannschaft hatte ihr Training absolviert. Die Mannschaft wurde als tauglich befunden und die Vorbereitungen begannen fuer ihren ersten Einsatz.
Am 3. November 1944 schrieb Helmut seine letzten Eintragungen ins Tagebuch der Kinder, welches Erna und er fuer sie angelegt hatten. Er verbrachte seine Freizeit mit Fahrrad fahren. Am Lenkrad war ein Korb angebracht. Dort sass der kleine Juergen. Je schneller Helmut fuhr umso lauter lachte und jauchzte sein Sohn. Abends dann sassen Helmut und Erna zusammen und hoerten Musik. Nun kam bald die Zeit des Abschieds.
Erna fand Helmut's goldene Taschenuhr, die er von seinem Vater bekommen hatte.
Als sie ihn darauf aufmerksam machte sagte er sie moege sie bitte behalten und die Minuten bis zu seiner Rueckkehr zaehlen. In der letzten Novemberwoche 1944 fuhr
Helmut mit seiner Mannschaft und der U 869 zur ersten Feindfahrt.
Stettin, den 3. November 1944
Lieber Juergen,
Unser kleiner ist nun ein richtiger Juergen geworden, ein kleiner Schelm mit vielen Streichen im Kopf.
Auf Deine eigene Art und Weise behauptest Du Dich in der Welt und wirst boese wenn es nicht nach Deinem Kopf geht. Natuerlich bekommst Du auch einen kleinen Klaps auf den Hintern und Deine Rache laesst Du an Deiner armen kleinen Schwester aus. Auch willst Du dann alles kaputt machen. Trotz alledem vergisst Du schnell und bist versoehnlich. Langsam entdeckst Du Deine Unabhaengigkeit. Dein Kinderzimmer und der Vorgarten, Deine Welt, werden so langsam zu klein fuer Dich, so erkundest Du was ausserhalb des Zaunes liegt, wo Du allerdings nicht sein solltest. Langsam aber sicher wird nun aus Dir ein grosser Juergen. Wenn noetig so verteidigst Du Dich sehr gut mit Deinen Faeusten und hast keine Angst vor jemandem, der staerker ist. Dann kannst Du schon fest zuschlagen mit Deinen kleinen Faeusten bis Deine Eltern euch Kamphaehne trennen.
Mutti, Jutta, und Du seid im Moment hier bei mir in Stettin wo mein Boot zum Auslauf hergerichtet wird. Wir wohnen im Yachtclub; vor dem Hauss fliesst die Oder und man sieht viele Schiffe. Dir gefaellt das Pendelboot, das Papi zur Arbeit bringt. Du wuerdest am liebsten mitkommen und weinst weil Du zurueckbleiben musst. Wenn der Papi abends vom Dienst kommt wartet Mutti schon mit euch beiden kleinen Schmutzfinken zur Begruessung. Man kann hier auch segeln und Du ziehst gerne an den Leinen und sprichst nur in Fachausdruecken. Dein Sprachschatz ist jetzt schon sehr umfassend und gerade abends, wenn Du schlafen sollst, dann erzaehlst Du uns ganze Raeubergeschichten, damit Du noch laenger aufbleiben darfst. Vor wenigen Tagen hat der boese Tommy hier viele Bomben geschmissen und es hat kraeftig gebumst. Du warst ganz still und hast Dein Koepfchen unter Mami's Mantel gesteckt. Auch Jutta ist ganz ruhig gewesen waehrend sie sonst noch lachte, wenn es knallte. Es war auch eine furchtbare Nacht und viele Haueser waren "putt", wie Du feststelltest. Auch bei uns im Haus sah es toll aus. Seitdem magst Du nicht mehr alleine schlafen und willst immer bei Mami "Heia machen". So merkst Du kleiner Schlingel doch auch schon etwas von diesem furchtbaren Krieg.
Bald muss nun der Papi mit seinem U-Boot raus und wir alle hoffen nichts sehnlicher, dass wir uns bald gesund und in schoenen Friedenszeiten zu Hause wiedersehen. Dann wirst Du hoffentlich auch wieder mit Mami und Jutta mich erwarten und freudestrahlend feststellen: "Mami! Papi kommt da!"
Moege dieser Zeitpunkt nicht sehr fernliegen. Moege eine schuetzende Hand Euch Lieben vor den Bitternissen bewahren, Euch beschuetzen und beschirmen bis eine sonnige und sorglose Zeit uns wieder vereint. Dann scheint ueber Euch, Ihr Lieben und erst recht ueber Euren Eltern, die nur mit Euch und fuer Euch leben, wieder die Sonne und unbeschreibliches Glueck wird uns das Leben wieder lebenswert machen.
Dein Dich liebender
Papi!