Siegfried Brandt

Siegfried Brandt - First Officer - 1st Watch Officer

Am 19. Juni 1922 feierten Elise und Otto Brandt die Geburt ihres ersten Kindes, Siegfried in der ostpreussischen Stadt, Zinten, Kreis Heiligenbeil, 40 Kilometer suedlich von Koenigsberg. Otto Brandt war Beamter bei der Eisenbahn in Zinten und war sehr wohl mit dem Zivildienst vertraut. Einige Jahre zuvor waehrend des ersten Weltkrieges erlitt er eine schwere Brust-und Armverletzung und verlor ein Bein. In der darauffolgenden Zeit folgten nochmals zwei Soehne, Norbert am 15 Maerz 1924 und Hans-Georg am 30. November 1930. Im Jahre 1930 baute die Familie ein Haus in Zinten. ( Der jetzige Name von Zinten ist Kornevo und Koenigsberg heisst heute Kaliningrad und ist nun ein Teil von Russland). Die Familie war protestantischen Glaubens (Neuapostolisch) und die Soehne wurden in diesem Glauben erzogen. Die Soehne wurden aelter ihr Glaube von den Zintener Nazis getestet. Sonntags, auf dem Weg zur neuapostolischen Kirche wurde die Familie gehaenselt und verspottet. Die Nazis erinnerten Otto daran, dass seine Soehne verpflichtet waren, den Hitler Jugend Fuehrer- Treffen, die jeden Sonntag stattfanden, beizuwohnen. Otto sagte seinen Soehnen, dass sie an drei Sonntagen jedes Monates den Fuehrerschaftstreffen beiwohnen koennen, aber der vierte Sonntag der Kirche gehoerte.

 

Herr Brandt's Lebensauffassung war ein Beispiel fuer seine Soehne, er zeigte ihnen die Staerke des Glaubens und wie wichtig es war, ehrbar zu sein. Dies war oftmals genau das krasse Gegenteil von den Richtlinien der Nazipartei und deren Ideologie fuer die Jugend von Zinten. Zu einer Zeit in der sich so viele junge Maenner der allgegenwaertigen Nazipartei zuwandten, da schloss der junge Siegfried mit seinen zwei besten Freunden einen Pakt. Sie wollten der preussischen Tradition folgen, die aus Ehre und Treue bestand. Siegfried nahm aktiv teil am Kirchenleben. Er spielte Klavier, sang im Chor und gehoerte der Jugendgruppe an. Seine Freunde nannten ihn "Siggi". Er hatte einen guten Ruf in Zinten, er war freundlich und aufrichtig, ein Ehrenmann, der mit allen und jedem, egal ob arm oder reich, gerne sprach.

Siegfried's Schulbildung bestand aus vier Jahren Volksschule in Zinten. Er besuchte die Zintner Mittelschule fuer sechs Jahre, darauf folgte ein dreijaehriger Besuch des Loebenichts'schen Gymnasiums in Koenigsberg. Die Volks- und Mittelschule hatten beide Schulprogramme die mit der Marine verbunden waren, Beide hatten einen ausgezeichneten Ruf fuer ihre wassersportlichen Wettbewerbe. Siegfried war ein hervorragender Schwimmer, der mehrere Medallien und Auszeichnungen gewann. In den warmen Sommermonaten war er oft am Waldrand von Zinten, in der oertlichen Badeanstalt, zu finden. Er war ein guter Schwimmer und bestand die Rettungsschwimmerpruefung. Das Abzeichen der Rettungsschwimmer wurde an der Badehose angenaeht. Es war ein Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen. Nach Abschluss des Gymnasiums in Koenigsberg und nachdem er das Abitur bestand, bekam er ein Stipendium zur Technischen Hochschule in Danzig. Er entschloss sich diese Schule nicht zu besuchen. Er verbrachte drei Monate beim Reichsarbeitsdienst in Kuckerneese und gleich danach meldete er sich freiwillig zur Kriegsmarine. Seine Entscheidung diesbezueglich ueberraschte niemanden in seiner Familie- und Freundeskreis.. Mit seinen Schulkameraden beschloss er nicht auf die Einberufung zum Heer zu warten. Durch ihre Schulausbildung waren sie mit der Marine vertraut. Sein Vater war sehr stolz auf ihn, seine Mutter war besorgt dass ihr Sohn in den Krieg musste. Jeder in der Familie wusste, dass Siggi durch seine Faehigkeiten und Begabungen sich zum Offizier eignete.

Am 7. Januar 1941 meldete sich der Kadett Siegfried Brandt zur dreimonatigen Grundausbildung beim 7. Schiffshauptquartier in Daenholm. Diese Ausbildung bestand aus zweit Teilen, Ein Teil waren Exerzieruebungen und der zweite die Artillerieausbildung. In dieser Zeit lernte er Clemens Borkert kennen. Sie wurden gute Freunde. Sie hatten dieselben Dienststellen und arbeiteten die naechsten zwei Jahre zusammen. (Herr Borkert ueberlebte den Krieg, die folgende Information stammt von ihm). Nach Abschluss der Grundausbildung im April 1941 wurden beide zur 3. Raeumboot-Flotille zugeteilt. Die Ausbildung dauerte zwei Monate und fand auf dem Speerbrecher"Groeben" statt. Der Heimathnafen des Bootes war Boulogne. Sie war ein Minensuchboot und sie war im englischen Kanal eingesetzt. In den kommenden Monaten fand die Ausbildung (Marineinfantrie) in Kiel und Swinemuende statt. Dann ging es wieder zurueck zur "Groeben" bis September, um im englischen Kanal Geleitschutz zu gewaehren.Die Ausbildung zum Unteroffizier war in Gluecksburg und dauerte bis Dezember . Nach Abschluss dieser Ausbildung wurden beide zu Matrosengefreiten befoerdert und kamen zur 4. Raeumboot-Flottile im englischen Kanal. In den folgenden sechs Monaten waren beide den selben Begleitschiffen und Marinesuchbooten zugeteilt. Im Juni 1942 wurde das Minensuchboot auf dem sie ihren Dienst verrichteten versenkt, Beide mussten zu einem ihnen folgenden Boot schwimmen.

Kurz danach nahmen beide an einem 2. Unteroffizierslehrgang teil. Beide bestanden auch diesen Lehrgang und wurden im September 1942 zum Bootsmann befoerdert. Gleich nach bestandener Pruefung wurde es den neuen Unteroffizieren nahe gelegt sich freiwillig zum U-Bootsdienst zu melden. Beide, Clements und Siegfried folgten diesem Aufruf und wurden sofort nach Gotenhafen in Polen in der Naehe von Danzig, geschickt. Dort erhielten sie ihre Ausbildung zum Steuermann. Nach nur dreimonatiger Ausbildung wurde Siegfried erneut befoerdert. Dieses Mal zum Rang des Ersten Steuermanns. Er wurde der zweiten U-Boot Flottile zugeteilt. Diese war in Lorient, Frankreich.

Am 12. Dezember 1943 kam Siegfried zu U 108 und gehoerte nun zu ihrer Mannschaft. Das Boot war vom Typ ein IXB U-Boot und stand unter dem Kommando von dem erfahrenen Korvettenkapitaen Rolf-Reimar Wolfram. Boot und Mannschaft hatten schon neun Kriegseinsaetze hinter sich bei denen sie 25 Schiffe versenkten. U 108 verliess den Hafen von Lorient am 1. Januar 1943. Sie sollte zusammen mit dem "Delphin" Wolfsrudel nordwestlich der Kanarischen Inseln patrollieren. Am 10. Januar wurde U 108 von einer englischen Catalina, die in Gibraltar stationiert war, gesichtet und angegriffen. U 108 wurde durch diesen Wasserbombenangriff schwer beschaedigt und war gezwungen nach Lorient zurueckzukehren. Als U 108 in Frankreich einlief wurde Siegfried zum 1.Kadett befoerdert. Er wurde nach Deutschland zurueckgeschickt und besuchte die 1. U-Boot Schule in Pillau fuer 14 Tage und begann danach seine 2 ½ jaehrige Offiziersausbildung auf verschiedenen Schulbooten in der Baltik. Seine Ausbildung war im Juni 1943 beendet und er wurde zum 2. Leutnant befoerdert. Seine Torpedoausbildung fand in Flensburg statt, seine Ausbildung mit Luftabwehrgeschuetzen war in Swinemuende. Im October 1943 kam er als erster Offizier zur U 869, einem nagelneuen Boot, das sich noch unter Konstruktion befand.

Waehrend seines Dienstes und seiner Ausbildung schrieb Siegfried viele Briefe nach Hause. Diese Briefe zeigen einen Mann von einwandfreiem Charakter und einer Reife viele Jahre aelter als die eines 22 jaehrigen. Einige diese Briefe sind voll von Sorge um seinen juengeren Bruder Norbert. Dieser wurde 1942 zur Artillerie eingezogen und diente in der Edelweiss Division in Norwegen. Als Kind hatte Norbert Lernprobleme in der Schule und die Nazifunktionaere in Zinten drohten ihn sterilisieren zu lassen. Andere Briefe zeigen die Verantwortung, die er fuer seine Mannschaft empfand, oft bittet er, "dass wir unsere Haende zum Gebet falten" und fuer ein Ende des Krieges beten. Und immer bat er, dass sich seine Familie um Dora Kuehne, seine Freundin, kuemmern moege. Wenn Siegfried Urlaub hatte so kam er immer gerne nach Hause in Zinten. Sein juengster Bruder Hans-Georg wartete dann immer schon ungeduldig auf ihn. Seine erste Frage war immer " Siggi, hast Du mir etwas mitgebracht"? Dann durchsuchte er die Taschen seines grossen Bruders und dann endlich zauberte Siggi ein kleines Spielzeug oder Geschenk aus seiner Muetze. Abends dann ging Siggi mit seinem Vater ins Wohnzimmer um alleine mit ihm zu sprechen. Hans-Georg stand dann auf zehenspitzen vor der Tuer um Teile des Gespraeches zu erfahren. Das Gespraechsthema drehte sich immer um den U-Bootkrieg und wie "Adolf mehr als seine Admirale wusste", und dass Siggi obwohl er Offizier war, sich wie " ein kleines Rad in der Maschine" vorkam. Er nannte das U-Boot oftmals ein "Nazitauchboot". Aber er sagte seinem Vater auch, dass jeder Mann auf U 869 ein echter und guter Kamerad sei und dass er sich auf jeden vollkommen verlassen konnte. Auch vertraute er seinem Vater ein dunkles Geheimnis an. Er hatte nun immer eine kleine Pistole bei sich.Er sagte, dass er "nicht bis zum Ende warten wuerde, sollte auf dem U-Boot etwas falsch laufen".

Im Sommer 1944 lag U 869 in Pillau. Siegfried lud seine Familie zum Besuch ein. Seine Mutter war nicht auf dem Boot erlaubt und musste am Pier warten. Kplt. Neuerburg wollte keine Frau an Bord denn es wuerde Unglueck bringen. Hans-Georg wurde dem Kapitaen vorgestellt und Siggi zeigte ihm das Boot. Er durfte durch das Boot klettern, durch das Sehrohr schauen. Das Boot roch nach Oel und Schmierfetten, die vielen Hebel und Geraete faszinierten den jungen Hans-Georg. Es war fuer ihn ein Hoehepunkt in seinem jungen Leben. Fuer Hans-Georg war Siegfried "der grosse Bruder auf den ich so stolz war".

Ende Oktober 1944 kam Siegfried noch einmal nach Hause zu Besuch, leider fuer nur einen Tag. Er wusste, dass die erste Feindfahrt bevorstand und auch, dass dies wohl sein letzter Besuch war. Er hatte wohl mehrere Tage Urlaub aber er verteilte diese unter den verheirateten Maennern, damit diese ihre Familie besuchen konnten. An diesem, seinem letzten Besuch zu Hause versammelte sich die ganze Familie im Wohnzimmer und betete fuer die baldige und sichere Rueckkehr beider Soehne. Als Siegfried abends dann das Haus verliess und sich auf den Weg zurueck zur U 869 machte, fielen dicke, schwere Schneeflocken.

Am 1. Januar 1945 zur See und an Bord von U 869 wurde Siegfried Brandt zum 1. Leutnant befoerdert. ( Oberleutnant zur See, I.WO auf U 869).

Norbert Brandt ueberlebte den Krieg und kam am 3. November 1945 nach Hause.

Dora Kuehne und Hans-Georg Brandt heirateten 1954. Aus der Ehe stammt ein Sohn, Frank-Michael Brandt. - Link zu 8 Briefen von Siegfried, datiert, 19. Oktober 1944 bis 12.November 1944. - Link zum Fotoalbum Brandt - Link zu militaerischen Daten